Das kann die Health App von Apple

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Die großen Techkonzerne drängen auf die nationalen Gesundheitsmärkte. Auch der Apple-Konzern will künftig kräftig mitmischen. Die ziemlich unscheinbare Health App steht dabei für mehr, als mancher so denken könnte.

Das kleine rote Herz vor weißem Grund sticht kaum hervor zwischen all den anderen Icons, die sich so auf dem eigenen Smartphone-Startbildschirm tummeln. Auf iPhones und iPods ab iOS-Version 8 ist die dazugehörige App bereits vorinstalliert. Sie gehört zu der Sorte von digitalen Fitness- und Lifestyle-Angeboten, an die man sich längst gewöhnt hat: Schritte, Kalorien und Schlafzeiten zählen.

Doch das Streben nach dieser Art von Selbstoptimierung ist nach wie vor nicht jedermanns Sache. »Ich spüre doch selbst am besten, wie es mir geht, dazu brauche ich doch jetzt nicht auch noch mein Smartphone«, mögen sich vielen denken. Ein Indiz dafür, dass diese Einstellung nach wie vor ziemlich ausgeprägt ist: Das Magazin Focus mit dem Aufmacher »Daten-Medizin« wurde zum echten Ladenhüter.

Doch hinter mancher unscheinbaren App steckt mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist. Viel mehr. Denn Apples Health App will nicht weniger sein als der Prototyp einer digitalen Gesundheitsschaltzentrale – für alle.

»Deine Gesundheit von Kopf bis Fuß«

Um die Health App zu starten, musst du nur auf das Icon klicken, ein Gesundheitsprofil erstellen und Größe, Alter sowie Gewicht hinzufügen. Und schon beginnt das Datensammeln.

Was viele iPhone-Nutzer:innen wohl nicht wissen: Die App zählt ab diesem Zeitpunkt in der Hosentasche fleißig mit, nämlich die Schritte, die so tagtäglich mit dem Smartphone absolviert werden. Allein daraus kann die App schon viele Schlussfolgerungen ziehen. Denn bei der Erfassung der täglichen »Mobilität« geht es nicht nur um die Anzahl der Schritte und die zurückgelegte Strecke, sondern zum Beispiel auch um die Asymmetrie des Gangs und die »bipedale Abstützungsdauer« (prozentualer Anteil der Zeit beim Gehen, in der beide Füße gleichzeitig den Boden berühren) – die wird etwa zur Beurteilung des Gleichgewichts bei neurologischen Erkrankungen herangezogen. Ja, die Apple Health App geht weit darüber hinaus, was andere Fitness-Apps abfragen. Und mit der Mobilität hört es längst nicht auf.

Ballaststoffe, Biotin, Eisen, Cholesterin, Jod, Kalium, Kalzium, Riboflavin, Selen. Die Liste der einzutragenden Ernährungsparameter der Apple Health App ließe sich noch lange fortsetzen. Richtig medizinisch wird es bei der Erfassung der Leistungswerte der Atemwege oder der Herzparameter (neben Herzfrequenz und Blutdruck zum Beispiel die »Herzfrequenzvariabilität«, welche die zeitliche Variation zwischen zwei Herzschlägen eines Menschen beschreibt). Dazu kommen bekannte Fitnessparameter wie der Body-Mass-Index, der Körperfettanteil oder die elektrodermale Leitfähigkeit der Haut. Manches sammelt die App vor allem mit verbundener Smartwatch automatisch – vieles müssen Nutzer:innen selbst eingeben. Weibliche iPhone-User können zudem ein Zyklusprotokoll anlegen (mit Parametern wie »Akne«, »Appetit«, »Kopfschmerzen«, »Hitzewallungen« oder »Nachtschweiß«).

Insgesamt 13 Gesundheitskategorien hat Apple inzwischen in der App zusammengezurrt. Und sie vernetzt sich: Etwa mit der Apple-EKG-App von Apple-Watches oder den Informationen anderer Lifestyle-Apps, die auf dem Smartphone installiert sind. Für jede Gesundheitskategorie werden passende Gesundheits- und Lifestyle-Apps aus dem App Store gleich mit angezeigt. Und ein eigenes Logo in Apples App-Store – »Works with Apple Health« – zeigt dabei, welche anderen Programme kompatibel sind.

Alles ist darauf ausgelegt, das Datensammeln so leicht und umfangreich wie möglich zu machen.

Was die App bringt

Ganz frisch ist die Health App definitiv nicht, denn es gibt sie schon seit iOS 8 (erschienen im September 2014). Seitdem werden ihre Features konstant ausgebaut, sodass sie heute gewissermaßen als Hub für ein ganzes Ökosystem zum Thema Gesundheit funktioniert. Gerade in der Verknüpfung entsteht so ein immer genauer werdendes Bild der Gesundheit einer Person. Und das kann dabei helfen, die eigene Gesundheit zu optimieren und Auswirkungen von verändertem Verhalten und neuen Gewohnheiten genau zu bemerken. So lässt sich beispielsweise ein Schlafplan einrichten, den die App mit Nudging zu Entspannungsaktivitäten wie einer kurzen Einschlafmeditation kurz vor dem Schlafengehen unterstützt.

Auch könnte die Health App als Gesundheitsdienst für Patienten funktionieren: Apple beschreibt auf der eigenen Website etwa das Remote-Monitoring von Säuglingen oder von Patienten mit chronischen Krankheiten daheim. Die gesammelten Daten können dabei den Kontrolltermin beim Arzt ersetzen – zumindest in den USA. Dort kann die App bereits seit 2018 Daten und Befunde an teilnehmende Praxen und Krankenhäuser übermitteln (und umgekehrt)*. Seitdem nehmen immer mehr Gesundheitsdienstleister an dem Programm teil. Denkbar ist das auch in Deutschland.

Auch als Retter in der Not will die Health App taugen. Über einen digitalen »Notfallpass« sollen Rettungskräfte direkt über den Startbildschirm des iPhones auf wichtige medizinische Informationen wie Vorerkrankungen, Blutgruppe, Medikation oder Wirkstoffunverträglichkeiten zugreifen können. Auch lässt sich eine Liste mit Angehörigen einrichten, die beim Auslösen eines Notrufs über die Seitentasten des iPhones automatisch eine Nachricht erhalten.

Dazu sind die gesammelten Datensätze für die Forschung Gold wert. Das weiß auch Apple und ermöglicht es, gesammelte Datensätze aus der Health App für Studien freizugeben. Für Entwickler (in Forschungseinrichtungen) hat Apple dazu eigene Frameworks (HealthKit, CareKit und ResearchKit) entwickelt. Erste dieser sog. Datenstudien zur Erforschung von Parkinson, Epilepsie und Autismus sind in den USA bereits gelaufen.

Ist das alles auch sicher?

Keine Frage, die Gesundheitsdaten, welche die Health App zusammenträgt, sind äußerst sensibel, da sie empfindliche Informationen über Personen enthalten, an die Versicherungen (oder auch Kriminelle) nur zu gerne kommen würden. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn lässt mit seiner »Digitalisierungsoffensive« keinen Zweifel daran, dass er um den Wert der Gesundheitsdaten weiß und diesen Schatz heben will. So wurde hierzulande zum 1. Januar 2021 die elektronische Gesundheitsakte (ePA) eingeführt.

Das Wettrennen um die besten Gesundheitsdaten zwischen öffentlichen Gesundheitseinrichtungen und Privatkonzernen ist längst im Gange. Apples Ansatz könnte aber eventuell sogar Vorteile für Nutzer:innen bieten. Denn laut dem Unternehmen werden die in der App eingegebenen Daten automatisch verschlüsselt (bei Verwendung von Touch ID, Face ID oder eines Zugangscodes), in der hauseigenen iCloud von Apple gespeichert** und maschinell ausgewertet***.

Natürlich bleibt Apple ein Privatkonzern mit Sitz in den USA, wo geringere Datenschutzstandards gelten als in der EU. Doch so mancher möchte seine Gesundheitsdaten vielleicht lieber im Apple-Kosmos verwahren, als sie der eigenen Regierung anzuvertrauen – zumal der Konzern sich das Thema Datenschutz bereits aggressiv auf die (Marketing-)Fahne geschrieben hat.

Welche enorme Bedeutung das Unternehmen Apple der Gesundheitssparte generell zumisst, das hat der Apple-Chef Tim Cook in der Vergangenheit mehrfach betont. »Apples größter Beitrag zur Menschheit wird im Gesundheitsbereich liegen«, teilte er im Rahmen des Time 100 Summit 2019 mit. Die kleine Health App könnte also noch ganz groß rauskommen.

Infobox: Das »Quantified Self«

Diese Idee steht hinter vielen Health-Apps: das Sammeln von persönlichen Daten, um daraus die eigenen Gewohnheiten transparent zu machen und Erkenntnisse zu gewinnen, die dann das Leben der Nutzenden verbessern können.

* In der Health App werden sie dazu im Clinical-Document-Architecture(CDA)-Format abgelegt.

**So soll die Synchronisation der Daten über alle registrierten Geräte sichergestellt werden. Laut Apple müssen Apps, die auf die Health App zugreifen, eine »Datenschutzstrategie« nachweisen. Außerdem muss der User den entsprechenden Apps Zugriff auf die Daten in der Health App gewähren.

***Genauere Angaben zur Art und Weise der maschinellen Auswertung wollte Apple auf Anfrage nicht machen. Für eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist mindestens iOS 12 erforderlich. Für die Verarbeitung der Daten gilt die Apple-Datenschutzrichtlinie. Werden Drittanbieter-Apps eingebunden, gelten die dort vereinbarten Datenverarbeitungsrichtlinien.

zuletzt aktualisiert: 21.04.21, 19:21 Uhr

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