Die Impfterminvergabe hat es gezeigt: der Umgang mit (digitaler) Technik kann für ältere Menschen überlebenswichtig sein. Doch auch sonst löst der sichere Umgang mit Internet und Co. viele Probleme im Alltag. Der neue Altersbericht sagt, wie wir die Silversurfer besser mitnehmen.
Hektisches Treiben herrscht in diesen Tagen in den Gemeinden der Bundesländer. Briefe werden verschickt, Sprechstunden vereinbart, mobile Teams sind unterwegs, um ältere Menschen dabei zu unterstützen, die Corona-Ausnahmesituation zu bewältigen.
Und für diese Hilfsmaßnahmen gibt es einen klaren Grund: Denn die Wege zu Testungen und Impfterminen laufen in der Regel über das Internet. Sich digital informieren, die richtige Website aufrufen, Terminmaske auswählen, E-Mail-Bestätigung kontrollieren – was für viele Menschen leicht ist, kann für Silversurfer – also Menschen im Netz über 60 Jahre – noch eine große Herausforderung darstellen.
In der Pandemie wird die digitale Spaltung zwischen Jung und Alt besonders deutlich. Dabei müssten wir eigentlich gerade jetzt, wo wir alle stärker auf das Netz angewiesen sind, mithelfen, um Menschen ohne große Interneterfahrung zu schützen und in Sachen Technik nicht noch weiter abzuhängen.
Kann die Gesellschaft als Ganzes dafür etwas tun?
Die Statistiken machen generell optimistisch und zeigen das Potenzial
Die gute Nachricht lautet: Der Anteil der Senior:innen, die neue Technik nutzen, nimmt seit Jahren beständig zu. Allein während der Coronapandemie im Jahr 2020 stieg der Anteil der Internetnutzung unter 60–69-Jährigen um 4 Prozentpunkte.
Dazu reagieren ältere Menschen erstaunlich positiv auf neue Technik, die wirklich weiterhilft und intuitiv nutzbar ist – etwa Sprachassistenten. Ein Pilotprojekt aus den USA im Jahr 2019 verlief vielversprechend. Dass Menschen im Alter also grundsätzlich wenig technikaffin sind, sei »im Prinzip ein Klischee«, heißt es dort.
Trotzdem sind die Berührungsängste in Deutschland weiterhin ausgeprägt.
Einer Umfrage des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom) aus dem Herbst vergangenen Jahres zufolge wird von fast 70% der Älteren das Internet zwar »als Chance« begriffen, allerdings nutzt nur jeder zweite Mensch über 65 das Internet auch tatsächlich und nur 41% ein Smartphone – also das flexibelste Zugangsmedium. Ganz zu schweigen von möglicherweise coronarelevanten Apps.
Eine Umfrage der Bertelsmann-Stiftung sieht ebenfalls deutlichen Nachholbedarf, analysiert aber auch die Chancen: Darin heißt es, dass es insbesondere mehr digitaler Lernangebote oder »realer Orte« für den Erfahrungsaustausch bedürfe. Auch sei die Kommunikation innerhalb der Familie der größte Motivator, um sich mit digitalen Technologien zu beschäftigen.
Gute Ansätze sind also da. Aber?
Der neue Altersbericht zeigt, wo es wirklich hakt
Seit vielen Jahren wird der Umgang mit neuer Technik für ältere Menschen von der Bundesregierung gefördert. So nimmt etwa im 8. Altersbericht, der vergangenen Monat vorgestellt wurde, die »Digitale Souveränität« ein eigenes Kapitel ein.
Das Problem: In Deutschland herrscht beim Thema digitaler Kompetenzaufbau für Senior:innen vielerorts so etwas wie »Kleckerkultur«, mal etwas flapsig gesagt. Das heißt, über Einzelinitiativen hinaus mangelt es oftmals an einer Strategie zur Überführung von kurzfristig generiertem Wissen in nachhaltige Resultate.
Doch das Thema ist komplex. Das Leben älterer Menschen ist zutiefst facettenreich und jeder Mensch hat andere Bedürfnisse. Diese klar zu definieren und in Einklang mit der rasanten technologischen Entwicklung zu bringen, ist eine der größten Herausforderungen dabei. Ein weiteres zentrales Problem: die Verstetigung. In den »letzten 2 Jahrzehnten« sei eine Vielzahl von Initiativen und Angeboten »auf lokaler Ebene« geschaffen worden, »zahlreiche niedrigschwellige Angebote, die einen engen Bezug zum jeweiligen Sozialraum aufweisen und oft vom freiwilligen Engagement älterer Menschen getragen werden«, schreiben die Autor:innen. Seniorenbüros zum Beispiel. Insgesamt sei die »Landschaft dieser Angebote aber heterogen, unübersichtlich und instabil«, räumen sie ein.
An anderer Stelle wird die Kritik noch deutlicher: In einem Positionspapier des Fachbeirats Digitalisierung und Bildung älterer Menschen* wird nüchtern konstatiert, es gebe schlichtweg zu viele »Projektruinen«. Viele Projekte liefen nach Ende der Förderung einfach aus, ohne dass die Gesellschaft als Ganzes langfristig davon profitiere.
Beispiel gefällig? Von 22 in den Jahren 2014–2016 geförderten Technikberatungsstellen sind nach Auskunft des Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) noch ungefähr die Hälfte in ihrer ursprünglichen Form aktiv**. Als diese Beratungsstellen eingeführt wurden, glaubte man auch noch im großen Stil an die Idee des technikgestützten Wohnens (Ambient Assistent Living, kurz: AAL). Doch am Ende wollte praktisch niemand für diese Lösungen zahlen, weder die Wohnungswirtschaft noch die Krankenkassen. Auch bei den Senior:innen war die Resonanz äußerst verhalten.
Was also ist zu tun?
Ein neuer Ansatz: Das direkte soziale Umfeld digital kompetent machen
»Organisationen, Institutionen und Netzwerke müssen Lern- und Unterstützungsangebote zur Entwicklung digitaler Kompetenzen bereitstellen. Wenn bei älteren Menschen die Bereitschaft vorhanden ist, digitale Technologien zu nutzen, sie sich das dazu nötige Wissen jedoch nicht alleine aneignen wollen oder können, sollen sie auf solche Angebote zurückgreifen können«, ist im Altersbericht der Bundesregierung zu lesen.
Eigeninitiative trifft auf Angebot, so die Losung – aber wie könnte das konkret aussehen?
Birgit Apfelbaum, Mitglied der Altersberichtskommission der Bundesregierung, plädiert zum Beispiel für eine engere Abstimmung zwischen Ehren- und Hauptamt. »Vom Kern der lokalen, kommunalen Ebene in die Breite gehen«, heißt ihre Idee.
Es geht also darum, die digitalen Unterstützungsangebote direkt in der Bezugswelt der Senior:innen zu verankern. Denn in der Lebensrealität älterer Menschen geht es beim Thema Technik schließlich oftmals nur um eine sehr einfache Frage: »Wer kann mir helfen – und zwar jetzt?«
Der Sachverständigenrat der Bundesregierung schlägt etwa vor, das Bewusstsein für einen altersgerechten Umgang mit digitalen Technologien auch in den Ausbildungscurricula von Berufen zu verankern, die sich direkt auf die Lebenswirklichkeit von älteren Menschen auswirken. Das können Angehörige, Pflegekräfte oder auch der Bankberater sein, der über die Eröffnung und Nutzung von Onlinebanking aufklärt.
Denkbar wären auch Initiativen aus der Privatwirtschaft, zum Beispiel eine zusätzliche Unterstützung seitens der Elektronikfachmärkte. Die gibt es in der Tat schon. So bieten etwa Mediamarkt und Saturn in vielen Filialen spezielle Weiterbildungen für Senior:innen an. Auch die Gerätehersteller selbst, wie der Senioren-Smartphone-Hersteller Doro, haben offenbar die direkte »Seniorenberatung« als Wettbewerbsvorteil für sich ausgemacht, hier in Form einer Telefonhotline.
Einzeln für sich dürften diese Ansätze nur bedingt helfen. Zusammen aber könnten sie genau die Vielzahl von Unterstützungshilfen ergeben und zu einem generellen Umdenken führen – nicht nur unter den Silversurfern, sondern vor allem auch unter den Digital Natives (allen, die mit dem Netz aufgewachsen sind): Wir müssen uns klarmachen, wie viel Hilfe viele Silversurfer aktuell noch brauchen, und jederzeit bereit sein, unsere Eltern oder Großeltern auf ihrem Weg ins Netz zu begleiten. Gerade in Zeiten, in denen ohne Internet sonst ein Abgeschnittensein vom öffentlichen Leben droht.
Das Ziel ist nichts anderes als ein alltagsnaher digitaler Rat in allen Lebenslagen, jederzeit verfügbar, eine Rund-um-die-Uhr-Servicementalität, die für die Jungen im Netz längst selbstverständlich geworden ist.
//So könnte es funktionieren: Medien- und Techniklotsen in Hannover: In Hannover kommen Medien- und Techniklotsen nach Terminanfrage direkt in die häusliche Umgebung von Senior:innen (ob ins Altenheim oder in die eigenen 4 Wände). Dort beraten sie sie direkt am Gerät. Das Team dazu besteht aus rund 30 Ehrenamtlichen.//
*Der Rat ist an die bundesweite Servicestelle »Digitalisierung und Bildung für ältere Menschen« angegliedert)
**Man verweist auf Anschlussprojekte wie das Innovationsnetzwerk »Vernetzte Technikberatung und Techniknutzung« mit seiner Webpräsenz »Innovativ altern«, das nicht nur ein weiteres Reallabor in Form einer Musterwohnung umfassen soll, sondern auch eine bundesweite Organisationsstruktur für Seniorentechnikberater und Technikberatungsstellen sein will. »Die aus einer Förderung des BMBF hervorgegangenen Kommunalen Beratungsstellen (KBS) existieren in ganz unterschiedlichen Formen und Institutionen weiter und sind daher nicht 1:1 über den Namen nachverfolgbar«, heißt es aus dem BMBF.
zuletzt aktualisiert: 21.05.21, 17:21 Uhr