Wenn die Gedanken nicht mehr frei sind

Bild: DAI Heidelberg

Miriam Meckel sprach auf dem International Science Festival „Geist Heidelberg“ über die schöne neue Welt des „Brainhacking“.

Sind wir eines Tages vielleicht nicht mehr Herr über die Gedanken in unserem Kopf? Dieser zentralen Frage widmete sich die Professorin und Herausgeberin der Wirtschaftswoche Miriam Meckel an einem der symbolträchtigsten Orte für das freie Denken in Heidelberg – der Alten Aula.

Das Internet gilt inzwischen als das technische Rückgrat fast aller Lebensbereiche. Warum also nicht auch das Gehirn daran anschließen? Aus Sicht der Technologie-Historie spräche jedenfalls einiges dafür, dass dies eines Tages passieren werde, so die Professorin. Vielleicht seien wir sogar gezwungen dazu, um mit den künstlich intelligenten Maschinen mithalten zu können. Es gäbe immer mehr Maschinen, die zunehmend Domänen eroberten, die bisher ausschließlich dem Menschen vorbehalten waren. Anders gesagt: Wenn die Software schöner dichtet als der Mensch, was macht uns dann noch aus?

Gedanken „lesen“, Gedanken „schreiben“ und die „Vernetzung“ von Gehirnen, all das fände bereits statt, so Meckel. Probanden von „BrainGate“, einem Projekt zur Erforschung von Gehirn-Computer-Schnittstellen, die am Locked-in-Syndrom (einer fast vollständigen Lähmung des Körpers) leiden, hätten gelernt, per Gedanken eine Roboter-Protese zu steuern – mit überwältigender emotionaler Resonanz über das Ergebnis. „Ich habe mich gefühlt wie der Mensch, der ich einst gewesen bin“, zitierte Meckel eine Probandin.

Auch das Schreiben von Text mit der reinen Kraft der Gedanken sei bereits möglich. Facebook entwickle ein Gerät, mit dem sich 100 Wörter pro Minute allein durch Gedankenkraft diktieren ließen. „Das ist schneller als mancher Mensch denkt“, so Meckel.

Doch an einer solchen neuen Schnittstelle lauern für sie auch die größten Gefahren. Sind alle Worte, die am Sprachzentrum ankommen, dann auch für die Öffentlichkeit freigegeben? Bzw. für Facebook? Zuhause „Briefe vor sich hinzudenken“ sei eine durchaus bequeme und verlockende Lifestyle-Option, doch entstünde dadurch nicht z. B. auch ein neuer Markt im Gehirn? Wollen wir Facebook wirklich bis in die Tiefen unserer Gedankenwelt vordringen lassen?

Meckel warnte vor dem „Bild der Maschine“, das über das, was den Menschen eigentlich ausmache, „das Nicht-Binäre“, gestülpt werde. Medizinische Fortschritte seien hingegen sorgfältig abzuwägen, z. B. im Bereich der Optogenetik, wo sich bei Mäusen durch die gezielte Manipulation von Hirnarealen per Laser Depressionen lindern ließen. Und auch ein „organisches Internet“ gäbe es schon. Zwei Ratten hätten in Experimenten bereits „Gedanken“ über das Internet ausgetauscht. Das Lernmuster zum Lösen einer einfachen Konditionierungsaufgabe wurde per Internet von einem Rattenhirn auf das andere Rattenhirn übertragen.

Mit Experimenten wie diesen sieht Meckel auch den Menschen eine „neue existenzielle Dimension“ ansteuern, nämlich die Möglichkeit eines „kollektiven Bewusstseins“ und eines „gemeinsamen Denkens“. Die Fragen, die damit entstünden: Was bedeutet in einem solche Prozess Identität? Kann ich mich dann überhaupt noch selbst erkennen?

Die Idee des Individuums der Aufklärung sei in Gefahr, so Meckel. Ein „Kampf um die Ressource des Denkens“ könne entstehen, der Geist – zur „Ware“ degradiert – zur „Wettbewerbszone“ verkommen. Damit wären wir im Zeitalter des „Neurokapitalismus“ angekommen.

Es läge an uns, zu entscheiden, was wirklich passieren soll, so Meckel. Eine „Reduktion von Komplexität“ durch eine neue Technik sei nicht wünschenswert.

Und auch wenn diese Entwicklung für uns im Alltag noch weit weg sei, so gelte es jetzt die richtigen Entscheidungen zu treffen. Miriam Meckels Plädoyer: „Denken Sie nach! Sie haben die Freiheit dies zu tun.“