Smartes Internet geht auch ohne 5G und neue Mobilfunkmasten (erschienen bei Perspective Daily am 11.10.2019)

Bild: The Things Network


Wenn der Kühlschrank mit der Smartwatch … »The Things Network« aus den Niederlanden lässt Dinge miteinander kommunizieren – günstig und umweltschonend. Sogar die Deutsche Bahn nutzt es schon.

Stell dir vor, alles wäre in Zukunft vernetzt: Dein Auto spricht mit anderen Autos die Verkehrslage ab, deine Smartwatch sendet deinem Arzt dein Langzeit-EKG und Industrieroboter kommunizieren an eine Leitstelle Auslastung und Verschleiß – und bitten, wenn nötig, um Reparatur …

Das sind nur ein paar Anwendungen aus der Vision des schlauen Internets der Zukunft, einem Internet der Dinge1, an dem gerade fleißig gearbeitet wird. Ob autonomes Fahren, Telemedizin oder die Industrie 4.0 – sie alle stehen dabei vor einem Problem: Wenn Geräte mit Geräten kommunizieren, fallen enorm viele Daten an. Und das ist den Mobilfunkanbietern in Deutschland 6,5 Milliarden Euro wert – der Preis, den sie für den aktuell schnellsten Mobilfunkstandard 5G dieses Jahr an die Bundesregierung gezahlt haben. Ein stolzer Preis, den sie sicher auf den Kunden umschlagen werden.

Doch schlaues Internet geht auch ohne 5G, wie ein findiger Niederländer mit seiner Initiative The Things Network (TTN) zeigt – und das schon heute weltweit.

So funktioniert »The Things Network« schon heute

86.550 Mitglieder (Stand: Oktober 2019) sind heute schon Teil des alternativen Netzwerks. Gegründet haben es Wienke Giezeman und Johan Stokking bereits 2015.

Giezemans Lösung2 setzt auf Vernetzung auf der Grundlage der lizenzfreien Funktechnik LoRa3. LoRaWANs (Long Range Wide Area Networks) können kleinere Datenmengen über Entfernungen von gut 10 Kilometern von einfachen Sensoren über Gateways auf einen Netzwerkserver und von dort in die Cloud übertragen – und wieder zurück. Der Netzwerkserver kann öffentlich, privat oder als On-Site-WAN (Daten verlassen den physikalischen Standort nicht) bereitgestellt werden. Letzteres ist vor allem für Anwendungen interessant, die sensible Daten nutzen – etwa in der Industrie2.

Die Infrastruktur von The Things Network ist dabei für alle kostenlos zugänglich. Eine Internetpräsenz dient den Teilnehmern als Anlaufpunkt für Diskussion, Hardware oder Support.

Das klingt nach einem Frickler-Projekt für begeisterte Netzwerk-Nerds? Weit gefehlt.

Technik für alle
Dass The Things Network funktioniert, beweist allein der rege Zulauf von Privatnutzern. Auch eine eigene jährliche Konferenz in Amsterdam zu dem Thema gibt es bereits. Und nun entdecken auch Kommunen und die Industrie die Alternative zu 5G. So hat beispielsweise die Deutsche Bahn einen Teil ihrer Bahnhofsuhren an ein LoRaWAN angeschlossen, damit sie immer pünktlich gehen. Im Kundenzentrum der Bahn scheinen Uhrenausfälle noch immer für ziemlich viel Unruhe zu sorgen.

Doch The Things Network will vor allem abseits der großen Unternehmen die Ideen des Internets von morgen befeuern – und zwar auch dort, wo Standards wie 5G noch lange auf sich warten lassen dürften: etwa auf dem Land, wo Bauern in Gebieten mit schlechtem Internet Tiere tracken oder ihr Weinfeld vollautomatisch bewässern können.

Es sind die Mitglieder der The-Things-Network-Community, die diese Anwendungen finden, erstellen und miteinander teilen. Und sie sind es auch, die den Flickenteppich der LoRaWANs in Deutschland mit ihrem Engagement ausfüllen. Gemeinschaftsarbeit statt Industriestandard: The-Things-Network-Gründer Wienke Giezeman fasste das im Rahmen eines TED-Vortrags 2017 so zusammen: »Wir sind der Beweis dafür, dass, wenn Sie Technologie für viele Menschen zugänglich machen, Lösungen für echte Probleme gefunden werden und nicht nur Lösungen, die ausschließlich auf Geschäftsmodellen basieren.«

Eine vollwertige Alternative zu 5G ist The Things Network allerdings nicht. Einerseits aufgrund der deutlich geringeren Datenrate, andererseits auch weil das Protokoll für Echtzeitanwendungen ungeeignet ist – dafür sind die Verzögerungen (Latenzen) bei der Datenübertragung einfach zu hoch.

Das ein oder andere (ganz persönliche) Vernetzungsproblem lässt sich mit LoRa aber sicher ganz praktisch und energiesparend lösen.


1 – Das »Internet der Dinge« (IdD) ist ein Sammelbegriff für Technologien einer globalen Infrastruktur, die es ermöglicht, Gegenstände miteinander zu vernetzen.
2 – Giezeman betreibt über »The Things Industries« ein IoT-Unternehmen, das beim Aufbau von »LoRaWAN«-Strukturen hilft. Ganz uneigennützig ist das Projekt also nicht.
3 – Das »LoRa«-Netzprotokoll wurde für sogenannte »Wide Area Networks« (WANs) entwickelt, für Netzwerke also, die sich über größere Entfernungen erstrecken. Die Datenübertragungsrate beträgt bis zu 50 Kilobytes pro Sekunde. Ein weiterer Vorteil: Mit »LoRa« lässt sich eine gute Gebäudedurchdringung erzielen. Die ist sogar besser als bei LTE.
4 – Für Sicherheit sorgt eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit 128 Bit-AES.

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